10-jähriges Jubiläums
Vortrag Frau Marlies Saken, ehrenamtliche Helferin
Guten Morgen sehr geehrte Damen und Herren,
Ich möchte Sie herzlich begrüßen, mein Name ist Marlies Saken und ich bin seit knapp sieben Jahren für die Hospizbewegung als ehrenamtliches Mitglied tätig.
In den Vorbereitungen unseres 10-jährigen Jubiläums wurde ich gebeten, heute von unserer Tätigkeit zu berichten.
Ich möchte dies anhand einer persönlichen Erfahrung bzw. einer Begleitung heute für sie veranschaulichen.
Krankheit entsteht, wenn Dinge aus dem Gleichgewicht geraten, wenn ein Prozess unkontrolliert ohne Bezug zur Gesundheit des Körpers sich fortsetzt.
Mein Klient befand sich im fortgeschrittenen Stadium einer unheilbaren Krankheit. Krankenhausaufenthalte diktierten sein Leben. Nach dem Erstbesuch mit unserer Koordinatorin, Frau A. Hein, lernte ich meinen Klienten in seiner häuslichen Umgebung kennen.
Nachdem wir alle nötigen Informationen ausgetauscht hatten, (z.B Krankheitsbild, Medikation, soziale Gegebenheiten), nahm ich mir einen Stuhl und setzte mich zu ihm an sein Bett und machte mir über die erste Kontaktsituation Gedanken.
Aufgrund der starken Medikation war eine Zuordnung meiner Person nicht sofort möglich, außerdem war sein allgemeines Urteilsvermögen nicht mehr realitätsnah.
In den darauf folgenden Wochen verbesserte sich jedoch sein Zustand. Eine veränderte Medikation hatte unter anderem Einfluss auf sein Urteilsvermögen und auf seine Mobilität.
Wir lernten uns kennen. - Es entwickelte sich ein tiefes Vertrauen und eine gegenseitige Wertschätzung. Viele gemeinsame Interessengebiete kamen hierbei zum Vorschein. Wir diskutierten über wissenschaftliche Berichte aus den Medien, über Literatur oder alltägliche Situationen.
Dabei kamen unterbewusste Verhaltens- und Denkmuster zu Tage, die es mir ermöglichten, seine Identität zu erkennen.
Darüber hinaus waren wir ständig in einem Phasenprozess, der aus der Verleugnung der Krankheit verbunden mit Depressionen und dann wieder der Annahme der Krankheit bestand.
Seine Ehefrau hatte verständlicherweise ebenso Gesprächsbedarf und die beiden Stiefkinder versuchten, in dieser schwierigen Lebensphase im Gleichgewicht zu bleiben. So wurde ich in der Zeit der Betreuung eine gute Vertraute, auf die sich die Familie verlassen konnte.
Nach einem doch recht stabilen Sommer verschlechterte sich der Zustand meines Klienten und er wurde daraufhin in das Hospizhaus in Hochdahl verlegt.
Dort befanden wir uns zwar in einem „Schutzraum“, der aber wiederum von anderen Faktoren bestimmt war. Sein Denken und Fühlen war aufgrund dieses Ortswechsels davon bestimmt, sich mit der Realisierung seines Todes endgültig auseinander zu setzen. Seine emotionalen Ressourcen waren jedoch nicht verbraucht, denn es waren Kleinigkeiten, die er zu würdigen wusste.
Ich habe meinem Klienten jede Woche eine Rose mitgebracht und seine Freude war darüber unsagbar groß. An einem dieser Tage war die Rose fast verblüht, ich wollte, bevor ich ging noch eine neue, frische Rose besorgen, aber mein Klient wollte genau diese, fast verwelkte Rose behalten.
Er setzte den Veränderungen keinen Widerstand mehr entgegen. Ich respektierte seinen Wunsch mit der Verabredung, ihm bei meinem nächsten Besuch eine frische Rose mitzubringen.
Als ich an diesem Tag das Hospizhaus verließ, fühlte ich Präsenz, Stille, Frieden und Abschied.
Jede Begleitung hinterlässt Spuren in unserer Seele, gestatten sie mir bitte, meinen Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit zu eröffnen eine Gedenkminute für alle Verstorbenen, die wir in den letzten Jahren begleitet haben zu ermöglichen.
Gedenkminute
Alles wird erkannt, sobald es dem Licht ausgesetzt wird, und was immer dem Licht ausgesetzt wird, wird selbst zum Licht.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.